Kopftuch und andere religiöse Symbole am Arbeitsplatz
- Glaube oder Weltanschauung
Fragen Sie sich als Arbeitgeber, wie Sie mit Personalmitgliedern umgehen sollen, die ein religiöses oder weltanschauliches Symbol, etwa ein Kopftuch, am Arbeitsplatz tragen wollen? Hier haben wir die wichtigsten Informationen zusammengefasst.
Gibt es allgemeine Richtlinien zu religiösen oder weltanschaulichen Symbolen am Arbeitsplatz, beispielsweise zum Kopftuch?
Diese Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten. Es gibt bestimmte Rechte und Grundsätze, die sich aufeinander auswirken:
Open Ein Arbeitnehmer besitzt Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.
Das bedeutet unter anderem, dass Arbeitnehmer ihren Glauben oder ihre Weltanschauung mit bestimmten Symbolen, Gegenständen oder Kleidungsstücken zum Ausdruck bringen dürfen. Denken wir beispielsweise an Kopftuch, Kippa, Turban, Bildnisse, Kreuz, Davidstern, Kirpan ... Diese Freiheit gilt aber nicht absolut. Unter bestimmten Bedingungen, die in Artikel 9 § 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegt sind, können sie eingeschränkt werden.
Open Ein Arbeitnehmer hat das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung.
Doch auch dieses Recht ist nicht absolut. In gewissen Fällen sind Ausnahmen zugelassen, die einem Arbeitgeber erlauben religiöse oder weltanschauliche Symbole am Arbeitsplatz zu verbieten (oder auch zu verlangen). Die Antidiskriminierungsgesetzgebung gibt die Bedingungen vor, unter denen eine unterschiedliche Behandlung zulässig ist. Diese überschneiden sich mit den Regeln zur Einschränkung der Religionsfreiheit. Nur wenn alle Bedingungen erfüllt sind, ist eine Unterscheidung aufgrund des Glaubens oder der Weltanschauung zulässig.
Open Ein privater Arbeitgeber besitzt unternehmerische Freiheit
Aufgrund seiner Freiheit, eine Wirtschafts- oder Handelstätigkeit auszuüben, kann der Arbeitgeber sich für Neutralität gegenüber den Kunden entscheiden (Artikel 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).
Open Ein privater Arbeitgeber besitzt Vertragsfreiheit.
Demnach dürfen Arbeitgeber die Arbeitnehmer einstellen, die sie für die betreffende Stelle am besten geeignet halten.
Open Ein privater Arbeitgeber besitzt Weisungsbefugnis.
Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit nach Anweisungen des Arbeitgebers verrichten muss.
Open Das Neutralitätsprinzip des Staates ist ein wesentlicher Grundsatz für eine pluralistische Gesellschaft.
Dieser Grundsatz ist nicht ausdrücklich in der Verfassung aufgenommen, besagt jedoch, dass der Staat bezüglich jeder religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung vollständig unabhängig und autonom sein muss.
Hinzu kommt, dass die Rechtslage eine andere sein kann, je nachdem, ob es sich um einen privaten oder einen öffentlichen Arbeitgeber handelt:
- Für einen privaten Arbeitgebergelten bestimmte Bedingungen unter denen ein Verbot religiöser oder weltanschaulicher Symbole, wie beispielsweise ein Kopftuchverbot zulässig ist.
- Für einen öffentlichen Arbeitgeber gelten ebenfalls strenge Bedingungen, zusätzlich zu dem Neutralitätsprinzip, auf das wir noch näher eingehen.
Aus welchen Gründen darf ein privater Arbeitgeber das Kopftuch oder andere religiöse Symbole verbieten?
Sie sind als privater Arbeitgeber nicht verpflichtet, neutrale Dienstleistungen anzubieten. Allerdings dürfen Sie nur dann das Kopftuch oder andere religiöse Symbole verbieten, wenn dies einen legitimen Zweck erfüllt. Rechtmäßige Gründe für ein Verbot sind beispielsweise:
- in der Kulturwelt: künstlerische Freiheit, Authentizität … So kann es sein, dass eine Theatergesellschaft für ein Stück über eine historische Figur nur Schauspieler mit entsprechendem Äußeren aufbieten will.
- im Handel: Werbung, die sich an bestimmte Zielgruppen richtet. In Werbungen für Haarprodukte kommen beispielsweise gewöhnlich nur Models ohne Kopftuch oder sonstige Kopfbedeckung vor.
- im Bereich Sicherheit: Aus Sicherheitsgründen kann ein Verbot im Unternehmen durchaus gerechtfertigt sein, oder auch zur Sicherheit Dritter oder der Bevölkerung. Ein Beispiel hierfür ist das Verbot von weiter Kleidung in der Nähe von Maschinen, um Arbeitsunfälle zu vermeiden.
- Auch aus Gründen der Hygiene kann ein Verbot gelten. Zum Beispiel das Verbot, die Haare ungebunden zu tragen, oder sonstige Hygienevorschriften für Küchenpersonal.
Das Verbot muss stets ein geeignetes und notwendiges Mittel sein. Dies ist der Fall, wenn es keine alternative Maßnahme gibt, mit der sich das Ziel ebenfalls erreichen ließe und die zudem das betreffende Grundrecht weniger weitreichend und weniger gravierend einschränkt.
Ein weiterer legitimer Zweck für ein Verbot religiöser oder weltanschaulicher Symbole (z. B. Kopftuchverbot) kann ein neutrales Image sein. Ein solches Verbot ist aber nur zulässig, wenn 3 Bedingungen erfüllt sind:
Open Das Verbot erfüllt einen rechtmäßigen Zweck.
- Als Arbeitgeber müssen Sie beweisen können, dass ein neutrales Erscheinungsbild gegenüber den Kunden tatsächlich einer Anforderung entspricht oder notwendig ist, um soziale Konflikte zu vermeiden.
- Sie müssen beweisen, dass die unternehmerische Freiheit ohne Neutralitätspolitik gefährdet ist, da dies nachteilige Folgen für die Art oder die Rahmenbedingungen Ihrer Tätigkeiten hätte.
Open Das Verbot muss ein geeignetes Mittel sein, um die Neutralität zu garantieren.
Dabei müssen Sie die Regeln auf alle Arbeitnehmenden anwenden und nicht nur „große auffällige Symbole“ verbieten. Ein christliches Kreuz muss dann ebenso verboten sein wie ein islamisches Kopftuch oder ein Sikh-Turban.
Open Das Verbot darf nicht weiter gehen, als unbedingt nötig.
So kann ein Verbot beispielsweise nur für Arbeitnehmende gelten, bei denen der Sichtkontakt mit Kunden ein wesentlicher Aspekt ihrer Aufgaben ist.
Der Arbeitgeber muss notfalls prüfen, ob die Personen, die trotz Verbots weiterhin religiöse Symbole tragen (wollen), nicht in eine andere Funktion ohne Sichtkontakt mit Kunden wechseln können.
Dies darf allerdings keine unverhältnismäßige Belastung für den Arbeitgeber bedeuten. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten in einem Unternehmen begrenzt sein können. So ist es in Großunternehmen einfacher als in einem mittelständischen Betrieb, eine andere Funktion anzubieten.
Auch die Art der Tätigkeiten kann eine Rolle spielen. Wenn in einem Unternehmen fast alle Funktionen Sichtkontakt mit Kunden haben, ist es schwierig, eine andere Funktion vorzuschlagen.
Darf ein öffentlicher Arbeitgeber ein Kopftuch oder ein anderes religiöses Symbol verbieten, um eine neutrale Dienstleistung zu garantieren?
Das Neutralitätsprinzip besagt, dass der Staat neutral ist und dass Beamte des öffentlichen Dienstes neutral handeln müssen. Persönliche Präferenzen der Beamten dürfen keine Rolle bei der Behandlung von Bürgern spielen, denn alle Bürger und Bürgerinnensind gleich zu behandeln. Dieses Neutralitätsprinzip wird oft angeführt, um Regeln für das Tragen religiöser oder weltanschaulicher Symbole bei Beamten aufzuerlegen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Behörde ihre Form von Neutralität, zu der sie ihr Personal anhalten will, selbst wählt, je nachdem, welchen Stellenwert sie religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen beimessen möchte. Die Befolgung des Neutralitätsprinzips ist also eine politische und gesellschaftliche Entscheidung, keine juristische. Es besteht keine Pflicht, religiöse Symbole im Namen der Neutralität zu verbieten.
In der Praxis wird das Neutralitätsprinzip unterschiedlich ausgelegt:
Open Exklusive Neutralität
Die Beamten dürfen keine religiösen oder weltanschaulichen Symbole tragen. Dies gilt beispielsweise für alle Personalmitglieder der Stadt Brüssel.
Gut zu wissen: Wenn die Behörde sich für exklusive Neutralität entscheidet, muss sie diesen Zweck laut Gerichtshof tatsächlich kohärent und systematisch gegenüber allen Arbeitnehmern verfolgen. Das Verbot muss zudem auf das nötigste Mindestmaß beschränkt bleiben.
Open Inklusive Neutralität
Die Beamten dürfen in gleich welcher Funktion religiöse Symbole tragen. Das ist in der Stadt Mecheln der Fall. Nur wenn dies gegen das Gesetz über die öffentliche Ordnung verstößt oder die Sicherheit und Hygiene gefährdet, ist eine Einschränkung zulässig.
Open Gemischte Neutralität
Die Beamten dürfen in manchen Funktionen religiöse Symbole tragen, in anderen nicht.
Beispiel: Die Stadt Antwerpen verbietet äußerliche Symbole weltanschaulicher, politischer, gewerkschaftlicher, sportlicher und sonstiger Überzeugungen während der Arbeitszeiten für Personal, das in direktem Kontakt mit der Bevölkerung, mit Kunden oder mit externen Partnern steht. Für andere Personalmitglieder gilt das Gebot unauffälliger Kleidung. Auch Männer dürfen einen Ohrring tragen, aber kein auffälliges Nasen-Piercing. Ein Kopftuch ist ebenfalls erlaubt, doch keine „starke Verschleierung“.
Unia plädiert für Inklusion. Wir sind der Auffassung, dass öffentliche Dienste ein Spiegelbild der Gesellschaft sein müssen und dass eine korrekte und neutrale Dienstleistung gewährleistet werden kann, indem man den Fokus auf das neutrale Handeln der Beamten richtet. Außerdem halten wir es für wichtig, dass alle Bevölkerungsgruppen Zugang zu einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst haben.
Tipps zu religiösen Symbolen am Arbeitsplatz
- Legen Sie klar und deutlich fest, was nicht verhandelbar ist. Mangelnder Respekt vor anderen Formen von Diversität, Sicherheitsrisiken oder Bekehrungseifer (um nur einige Beispiele zu nennen) sind inakzeptabel.
- Es sei darauf hingewiesen, dass Sicherheitsfragen legitim sind. Professionelle Sicherheits- und Gefahrenverhütungsberater können Ihnen helfen, inklusive Lösungen zu finden, mit denen die Sicherheit gewahrt bleibt.
- Vergessen Sie nicht, auf gerechte Verfahren zu achten. Ein korrekter Prozess zu der betreffenden Entscheidung oder Politik ist bereits Teil der Lösung.
- Schalten Sie professionelle Diversitäts- und Inklusionsmanager ein, um den richtigen Rahmen für die Diskussion über sensible Themen zu schaffen.
Unia kann mit einer Schulung nach Maß helfen. Benötigen Sie als Arbeitgeber eine Rechtsberatung? Wenden Sie sich an uns.
Rechtsprechung über Kopftuch am Arbeitsplatz
Suchen Sie in der Datenbank Rechtsprechung (nur FR oder NL) alle Urteile und Entscheide zu religiösen oder sonstigen Symbolen nach, unter anderem zum Kopftuch.
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Rechtliche Erklärungen zu Kopftuch und anderen religiösen Symbolen am Arbeitsplatz
Auf unserer Online-Lernplattform eDiv (nur FR oder NL) finden Sierechtliche Erklärungen zu bestimmten Situationen:
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