Diskriminierungen und Intersektionalität
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Manche Personen werden häufiger diskriminiert als andere, weil sie mehreren Identitätsgruppen angehören. Dies bezeichnet man als Mehrfachdiskriminierung. Hierzu gehört auch die intersektionale Diskriminierung. Betroffen sind Personen, die sich in einer Schnittstelle von mehrerer Vulnerabilitäten befinden und hierdurch mit ganz speziellen, komplexen Erfahrungen konfrontiert sind. So beispielsweise eine ältere Frau, die einer ethnischen Gruppe angehört und zudem eine Beeinträchtigung hat.
Im Kampf gegen Ungleichbehandlung geht es beim intersektionalen Ansatz darum, strukturelle und systemische Unterdrückung bestimmter Personengruppen in der Bevölkerung aufzudecken. Und ihre Rechte besser zu schützen.
Was bedeutet Intersektionalität?
Intersektionalität ist ein Begriff, der Situationen von Mehrfachdiskriminierung bezeichnet, die von bestimmten Personengruppen erlebt werden und die miteinander in Wechselwirkung stehen.
Ungleichbehandlungen zeigen sich dort, wo gewisse persönliche Merkmale zusammentreffen und die Person in das Räderwerk mehrerer Macht- oder Wertesysteme gerät, wie Kolonialismus, Patriarchat oder Rassismus.
Die Antidiskriminierungsgesetze halten eine Reihe geschützter persönlicher Merkmale fest, wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Herkunft, Glaube, Weltanschauung usw. Diese geschützten Merkmale dürfen nicht zu einer Benachteiligung führen. (Mehr zu den geschützten Merkmalen)
Der intersektionale Ansatz reduziert die Betroffenen nicht auf die Summe ihrer persönlichen Merkmale, sondern erkennt dahinter das Zusammenspiel diskriminierender Mechanismen und Strukturen, das es zu analysieren gilt.
Mehrfachdiskriminierung: Fallbeispiele
Von Mehrfachdiskriminierung ist die Rede, wenn eine Person aufgrund mehrerer geschützter Merkmale diskriminiert wird. Dies kann verschiedene Formen annehmen: sukzessiv, kumulativ oder intersektional.
Open Sukzessive Mehrfachdiskriminierung
Sukzessive Mehrfachdiskriminierung bedeutet, dass jemand aufgrund mehrerer Merkmale diskriminiert wird und dass diese Diskriminierungen getrennt voneinander zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein homosexueller Mann, der einer ethnischen Minderheit angehört, in manchen Situationen wegen seiner sexuellen Orientierung und in anderen wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminiert wird.
Open Kumulative Mehrfachdiskriminierung
Von kumulativer Mehrfachdiskriminierung ist die Rede, wenn eine Person in einer Situation aufgrund mehrerer Merkmale ungleich behandelt wird. Diese Ungleichbehandlungen können zusammentreffen oder getrennt voneinander stattfinden.
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein 44-jähriger männlicher Bewerber abgelehnt wird, weil der Arbeitgeber davon ausgeht, dass dieser Mann nicht in einem Team arbeiten kann, das ausschließlich aus 20- bis 30-jährigen Frauen besteht. Hier liegt eine doppelte Diskriminierung vor: aufgrund des Alters und des Geschlechts.
Open Intersektionale Mehrfachdiskriminierung
Intersektionale Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe aufgrund mehrerer Merkmale diskriminiert wird und diese derart ineinandergreifen, dass sie eine eigene, neue Form von Diskriminierung ergeben. Durch den gleichzeitigen Einfluss mehrerer Macht- und Wertesysteme, wie Patriarchat, Kapitalismus, Rassismus, Kolonialismus usw., kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen den geschützten Merkmalen, die dadurch nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden können.
So kann beispielsweise eine Frau, die einer ethnischen Minderheit angehört, aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft eine andere Form von rassistischer Diskriminierung erleben als ein Mann derselben ethnischen Minderheit oder auch eine andere Form von Sexismus als eine weiße Frau
Intersektionalität als juristisches und politisches Hilfsmittel
Bei der Bearbeitung von Diskriminierungsfällen bietet die Intersektionalität eine Perspektive, um spezifische Erfahrungen von Personen aufzudecken, bei denen mehrere Vulnerabilitäten zusammentreffen. So kommen sie überhaupt erst ans Licht und lassen sich juristisch prüfen.
In einem weiteren Kontext betrachtet, bietet der intersektionale Ansatz die Möglichkeit, den Fokus weg von der individuellen Person auf das Macht- oder Wertesystem zu lenken und dessen Funktionsweise und Wirkung auf bestimmte Personengruppen zu untersuchen.
Unia sieht in der Intersektionalität ein politisches Hilfsmittel, das dazu dienen kann:
- die Personengruppen zu identifizieren, die am stärksten von strukturellem Rassismus und Diskriminierung betroffen sind;
- Ansätze zu entwickeln, um diejenigen Gruppen zu erreichen, die am dringendsten Unterstützung brauchen;
- die eigene strukturelle Arbeit weiterzuentwickeln, indem man über das Individuum hinausschaut und echte Inklusion schafft.
Mehrfachdiskriminierung im Gesetz
Die belgische Antidiskriminierungsgesetzgebung besteht aus mehreren Gesetzen, Dekreten und Ordonnanzen, die entweder föderal oder in den einzelnen föderierten Teilgebieten anwendbar sind.
Die föderalen Antidiskriminierungsgesetze
Es gibt drei föderale Gesetze, aus denen sich die Antidiskriminierungsgesetzgebung zusammensetzt: das Antirassismusgesetz, das Antidiskriminierungsgesetz und das Gendergesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Im Juni 2023 hat das föderale Parlament einen Gesetzentwurf zur Abänderung der Antidiskriminierungsgesetzgebung angenommen, der unter anderem das Konzept der kumulativen und intersektionalen Mehrfachdiskriminierung einführt.
Regionale und gemeinschaftliche Gesetzgebungen
Open Region Brüssel-Hauptstadt:
Im April 2024 hat das Brüsseler Parlament ein Brüsseler Gesetzbuch über Gleichbehandlung, Antidiskriminierung und die Förderung von Diversität angenommen (in Kraft seit dem 16. Oktober 2024). Es handelt sich dabei um einen gemeinsamen Rechtsrahmen aller regionalen und gemeinschaftlichen Brüsseler Institutionen (COCOM und COCOF). Dieses Gesetzbuch führt unter anderem das Konzept der Mehrfachdiskriminierung und der intersektionalen Diskriminierung ein.
Open Wallonische Region:
Das Dekret vom 6. November 2008 zur Bekämpfung bestimmter Formen von Diskriminierung lässt in seinem aktuellen Wortlaut (2024) das Konzept der Mehrfachdiskriminierung und der intersektionalen Diskriminierung vermissen. In dem Text ist jedoch die Rede von direkter oder indirekter Unterscheidung aufgrund von einem oder mehreren geschützten Merkmalen. Diese Formulierung gibt indirekt den Weg für rechtliche Schritte aufgrund von Mehrfachdiskriminierung oder intersektionaler Diskriminierung frei.
Open Föderation Wallonie-Brüssel:
Im April 2024 hat das Parlament der Föderation Wallonie-Brüssel den Dekretvorschlag (vom 17. April 2024) zur Abänderung des Dekrets vom 12. Dezember 2008 zur Bekämpfung bestimmter Formen von Diskriminierung angenommen.
Der Dekretvorschlag definiert neue Diskriminierungsformen, nämlich kumulative Diskriminierung und intersektionale Diskriminierung. Dieses Dekret soll am 01.01.2025 in Kraft treten.
Open Deutschsprachige Gemeinschaft:
Das Dekret vom 19. März 2012 zur Bekämpfung bestimmter Formen von Diskriminierung lässt Mehrfachdiskriminierung und intersektionale Diskriminierung unerwähnt. Ähnlich dem wallonischen Dekret beinhaltet es jedoch indirekt die Möglichkeit, Mehrfachdiskriminierungen geltend zu machen, indem es die Formulierung „unmittelbare oder mittelbare Unterscheidung aufgrund von mindestens einem geschützten Merkmal“ wählt.
Intersektionale Diskriminierung und Geschlecht
Der intersektionale Ansatz ist inhärent mit der Frage des Geschlechts oder Genders verbunden.
Die Theorie der Intersektionalität hat ihre Quellen in den bahnbrechenden Arbeiten schwarzer Feministinnen aus den USA und Großbritannien (Patricia Hill Collins, A-M Hancock, Angela Davis …). Sie stellten die angeblich universalisierte Kategorie „Frau“ infrage und haben damit die verschiedenen Formen von Ausgrenzung und sozialer Ungleichbehandlung vor Augen geführt, wie schwarze Frauen sie erleben.
Die Juristin Kimberlé Crenshaw hat diesen Begriff als Rechtskonzept eingeführt. Bei der rechtlichen Prüfung von Diskriminierungsfällen erleichtert der intersektionale Ansatz die ansonsten schwierige Identifizierung komplexer Zusammenhänge zwischen prägnanten Unterdrückungsformen in unserer Gesellschaft, zum Beispiel aufgrund von Geschlecht, angeblicher Rasse oder Gesellschaftsschicht.
Beispiele für die intersektionale Diskriminierung von Frauen:
- STIB/MIVB wegen Diskriminierung bei der Einstellung einer Frau mit Kopftuch verurteilt | Unia (nur auf NL oder FR verfügbar)
- Frau und dazu beeinträchtigt? Erhöhtes Risiko, Opfer von Diskriminierung und Gewalt zu werden | Unia (nur auf NL oder FR verfügbar)
- Arbeitsgerichtshof Antwerpen, Abteilung Antwerpen, 4. Januar 2024 | Unia (nur auf NL oder FR verfügbar)
- Rassistische Merkmale
- Glaube oder Weltanschauung
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- Alter
- Gesundheitszustand
- Körperliche oder genetische Merkmale
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