Gemeinde verweigert angemessene Vorkehrungen beim Einbürgerungsantrag einer blinden Französin

8 August 2016
Diskriminierungsgrund: Behinderung

Wer die belgische Staatsbürgerschaft beantragt, muss eine handschriftliche Erklärung abgeben, dass er sich der belgischen Verfassung und den Menschenrechtskonventionen unterwirft.

Eine blinde Französin wollte die belgische Staatsangehörigkeit beantragen und erhielt von ihrer Gemeinde die Mitteilung, dass diese Erklärung nicht in Braille-Schrift eingereicht werden kann. Aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung ist sie aber nicht in der Lage, einen Text mit der Hand zu schreiben.

Die Gemeinde schlug vor, dass die Frau einem Dritten eine Vollmacht erteilen solle, der die Erklärung dann an ihrer Stelle schreibt. Eine solche Vollmacht müsste vor einem Notar erteilt werden, wobei die Frau die Notarkosten hierfür tragen müsste.

Unia wertet diese Vorgehensweise als eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung der Antragstellerin. Außerdem verstößt die Vorgehensweise gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die Belgien am 1. August 2009 ratifiziert hat.

Die UN-Konvention schreibt den Behörden vor, Personen mit Behinderung die gleiche Behandlung wie allen anderen zuzusichern und notfalls angemessene Vorkehrungen bereitzustellen (Art. 5 der Konvention). Darüber hinaus müssen die Behörden für zugängliche Dienstleistungen sorgen (Art. 9) und Personen mit Behinderung darin unterstützen, ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit auszuüben (Art. 12). Außerdem müssen Behörden für angemessene Kommunikationsmittel wie Braille-Schrift oder Gebärdensprache offen sein.

Im Fall der blinden Französin hatte die Gemeinde die Vorschriften des Gesetzbuches über die belgische Staatsangehörigkeit in einer Art und Weise angewandt, die im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention steht.

Nach Intervention von Unia und des FÖD Justiz hat die Gemeinde ihren Standpunkt revidiert und die Erklärung in Braille-Schritt nun einer handschriftlichen Erklärung gleichgestellt. Das nationale Blindenhilfswerk (Oeuvre Nationale des Aveugles) hat die Übertragung der Braille-Erklärung ins lateinschriftliche Französische beglaubigt.