Die Coronakrise beeinflusst die Arbeit von Unia stark

15 Juni 2021
Handlungsfelder: Aller Aktionsbereiche
Diskriminierungsgrund: Aller Diskriminierungsgründe

Die Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch die Arbeit von Unia waren im Jahr 2020 stark von der Coronakrise betroffen. Die außergewöhnlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie haben die Verletzlichkeit vieler Bürger erhöht und zu zusätzlichen gesellschaftlichen Spannungen und Reibungen geführt. Unia hat im vergangenen Jahr 2.189 Fälle eröffnet, von denen 11% mit der Coronakrise zusammenhingen. Das Black-Lives-Matter-Phänomen und die Diskriminierung in der Arbeitswelt wirkten sich auch auf die Arbeit von Unia aus. 

"Die Coronakrise hat latente Konflikte neu entfacht", bemerkt Unia Direktor, Patrick Charlier. "Die Politik zur Bekämpfung des Virus hat die Tatsache hervorgehoben, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen ignoriert werden. Dies erinnert uns an die Notwendigkeit einer Politik der stärkeren Einbeziehung. Unia machte eine Reihe von Empfehlungen an die verschiedenen Partner und Akteure. Wir haben uns zum Beispiel an die Vermieter gewandt, wenn Pflegekräfte zum Umzug gezwungen wurden weil sie mit an Corona Erkrankten in Kontakt kamen. Wir haben mit Ministern und Bildungsverbänden gesprochen, um sicherzustellen, dass gefährdete Schüler nicht vergessen werden bei der Organisation von Fernunterricht. Wir organisierten eine Umfrage unter Menschen mit Behinderungen und ihren Familien. Unia veröffentlichte auch einen allgemeinen Bericht über die Corona-Maßnahmen mit dem Titel „Covid-19: Menschenrechte auf dem Prüfstand."

Die Folgen der Coronakrise 

Unia hat festgestellt, dass Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Problemen im Rahmen der Maßnahmen gegen das Coronavirus stark diskriminiert wurden: vor allem beim Zugang zu Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln und Krankenhäusern. Die Coronakrise zwang Politik und Gesellschaft manchmal zum schnellen Handeln. Kranke oder behinderte Menschen wurden bei den Entscheidungen zu nicht (immer) berücksichtigt.  

Bereits im Februar 2020 erhielten wir Meldungen über Diskriminierung von Menschen asiatischer Herkunft im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Und während der gesamten Krise war Unia besorgt, dass diese Konflikte die Bevölkerung weiterhin spalteten. Die Polarisierung ist der Feind des Miteinanders, für das Unia steht.

Black Lives Matter 

2020 war auch das Jahr des tragischen Todes von George Floyd in den Vereinigten Staaten und der „Black Lives Matter"-Bewegung, die weltweit Resonanz fand. Patrick Charlier: „Auch Schwarze Leben zählen. Was eigentlich selbstverständlich sein müsste, doch die Statistiken zur Gewaltkriminalität und Diskriminierung gegen Personen mit afrikanischen Wurzeln sagen etwas anderes."

"Auch unsere Institute und demokratischen Einrichtungen zeigten sich 2020 deutlich fragiler, als wir es vermutet hätten. Das selektive Einschreiten der Polizei, die Arbeitsweise des Parlaments und die Legitimität der Regierung standen allesamt infrage. Dies führte zu Protesten und Demonstrationen, oft trotz Versammlungsverbots oder Ausgangssperre."

Im Rahmen des Kampfes gegen Rassismus und Diskriminierung arbeitet Unia mit der Polizei zusammen, um das Bewusstsein für die Menschenrechte, die Einhaltung der Antirassismus- und Antidiskriminierungsgesetze und die Identifizierung von Hassdelikten zu fördern. Bei Unia gehen regelmäßig Meldungen wegen Einsätzen oder Verhalten von Polizeibeamten ein, die als diskriminierend, selektiv und überzogen empfunden werden.

Unia stellt fest, dass die Polizei immer noch damit ringt, wie sie intern gegen strukturell eingeschliffenen Rassismus und Intoleranz vorgehen soll. Unia ist jederzeit bereit, Erfahrung und Sachkenntnis mit der Polizei zu teilen, damit diese in korrekter Arbeitsweise funktionieren kann. 

Unia hat auch einen Dialog begonnen mit der Brüsseler Feuerwehr nach Zeugenberichten über rassistisches Mobbing. Die Föderalregierung und Regierungen der Gliedstaaten beschlossen eine Ministerkonferenz gegen Rassismus ins Leben zu rufen. Die Ministerkonferenz soll einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus (NAPAR-Bündnis) ausarbeiten. Für einen solchen Aktionsplan plädiert Unia bereits seit 2001, als Belgien sich in der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban hierzu verpflichtet hatte. Sarah Schlitz, Staatssekretärin für Geschlechtergleichstellung, Chancengleichheit und Diversität, ist für die Ausführung des NAPAR verantwortlich.

Praxistests werden gefördert

Die Behörden können bereits seit einiger Zeit Praxistests, Mystery-Shopping und Mystery-Calls nutzen, um Diskriminierungen zu erfassen und zu bekämpfen. Die Vorurteile um ihren Gebrauch scheinen allmählich zu verschwinden, was eine positive Entwicklung ist. In 2020 konnten wir feststellen, dass nun deutlich mehr lokale Behörden mit diesen Instrumenten arbeiten. Sowohl auf dem Wohnungsmarkt als auch - und das ist neu - auf dem lokalen Arbeitsmarkt. 

Das föderale und das Brüsseler Parlament haben in den letzten Jahren Initiativen ergriffen, um Praxistests auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Letztes Jahr veröffentlichte Unia hierzu zwei Berichte mit Vorschlägen zur Verbesserung der Nutzung dieses Instruments.

Die lokalen Behörden greifen im Rahmen ihrer Untersuchungen auf die Kompetenz von Unia und von professionellen Forschern zurück. Sie spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt.  

2020 haben in Flandern gleich mehrere Städte, wie Löwen, Antwerpen und Mechelen, erstmals Praxistests durchgeführt. Dabei konnten sie auf die Sachkompetenz von Unia zurückgreifen. In Brüssel wird an der Einrichtung von Praxistests gearbeitet. Auch der Süden des Landes ist an dieser Methode interessiert. Einige wallonische Gemeinden haben Gent besucht, um zu sehen, wie diese Tests in der Praxis umgesetzt werden.

Einige Zahlen für 2020

Im letzten Jahr sind bei Unia 9.466 Meldungen eingegangen, was einen Anstieg von 11,7 % gegenüber 2019 bedeutet. "Wir freuen uns natürlich, dass die Bevölkerung den Weg zu Unia immer schneller findet, blicken aber mit Sorge auf die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft", bemerkt Patrick Charlier.

Was die Diskriminierungsgründe angeht, für die Unia zuständig ist, stellen wir fest, dass es sich bei der Mehrzahl der Fällen des vergangenen Jahres um die Merkmale aus dem Antirassismusgesetz (956) und Behinderung (519) handelte. Darüber hinaus betraf eine signifikante Anzahl von Fällen folgende geschützte Merkmale: philosophische oder religiöse Überzeugung (261), Vermögen (187), Alter (172), Gesundheitszustand (162) und sexuelle Orientierung (109).

Mehr als die Hälfte der Fälle betraf die Beschäftigung und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Weitere andere Bereiche waren Medien, Gesellschaftsleben, Bildung sowie Polizei und Justiz.
 
Die wachsende Arbeitslast, unsere Rolle als Menschenrechtsinstitution und andere Faktoren bedeuten, dass wir bei Unia zusätzliche Ressourcen benötigt, um unsere Aufgaben weiterhin korrekt erfüllen zu können.

"Das neue Jahr 2021 kündigt sich vielmehr als Jahr der Hoffnung an", bestätigt Patrick Charlier. "Wir können endlich einen Ausweg aus der Corona-Krise sehen. Mut und Tatendrang, wie wir sie 2020 gesehen haben, bestärken uns in dieser Hoffnung. Aber wir dürfen nicht naiv sein. Auch 2021 werden wir verletzlich bleiben. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden unserer Gesellschaft vermutlich weiterhin zu schaffen machen und benachteiligte Personen als erste treffen. Unia wird weiterhin für gleiche Rechte und Chancen kämpfen. Gemeinsam mit vielen anderen Akteuren. Denn nur so kommen wir als Gesellschaft voran."

Vergleichbare Artikel

23 Juni 2022

In 2021 bearbeitete Unia eine Rekordzahl von Diskriminierungsfällen

2021 wurde die Grenze von 10.000 Meldungen überschritten. Auf dieser Grundlage hat Unia 2.379 individuelle Akten zu Situationen von Diskriminierung, Hassreden oder Hasshandlungen eröffnet - eine Rekordzahl. "Hinter diesen Fällen stehen vor allem 2.379 Personen, die sich diskriminiert gefühlt haben und für die Unia die Ärmel hochkrempelt, um Lösungen zu finden", erklärt Patrick Charlier, Direktor von Unia, anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts der Institution.

12 November 2020

Unia fördert das Miteinander, auch in Corona-Zeiten

Die Corona-Krise, die unser Land derzeit plagt, hat unter den Bürgerinnen und Bürgern gegenseitiges Misstrauen geschürt. „Wir beobachten eine starke Neigung, Schuldige oder einen Sündenbock zu finden“, erklärt die Unia-Direktion. „Eine Entwicklung, gegen die wir etwas unternehmen müssen. Denn so geht es niemandem besser. Statt dessen sollten wir die vielen Formen von Solidarität unterstützen, die durch die Pandemie entstanden sind. Die Corona-Krise wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern. Also müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben, ohne den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu zerstören.“