Meinungsforschung von Unia zur Akzeptanz homosexueller/bisexueller Orientierung: positive Mentalitätsentwicklung, doch weiterhin Besserungsbedarf

12 Mai 2016
Diskriminierungsgrund: Sexuelle Orientierung

Im Auftrag von Unia hat iVOX eine Umfrage unter 1.000 Personen über die Wahrnehmung von Homo-/Bisexualität in der Gesellschaft und die Haltung gegenüber LGB (Lesben, Schwule und Bisexuelle) durchgeführt.

Obwohl der Gesetzesrahmen bereits relativ weit gereift ist und die soziale Akzeptanz sich positiv entwickelt, zeigt die Umfrage, dass gewisse Blockaden in bestimmten Bevölkerungsgruppen oder Gesellschaftsbereichen (wie Bildung oder Beschäftigung) fortbestehen. Anlässlich des Belgian Pride und des Internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie kämpft Unia mit einer Kampagne gegen Vorurteile an, unter denen Homo- und Bisexuelle immer noch leiden.

Zunächst das Positive: Etwa 60 % der Umfrageteilnehmer bekundeten, dass sie keinerlei Problem mit homo- oder bisexuellen Personen haben. Dies zeigt sich konkret an ihren Reaktionen und Verhaltensweisen. So antworteten 88 % der Teilnehmer, sie würden es nicht tolerieren, wenn einer ihrer Freunde ein homosexuelles Paar als „dreckige Homos‟ beschimpfte. Für 63 % der Befragten ist es völlig normal, wenn sich ein mit ihnen befreundetes Schwulenpaar in der Öffentlichkeit küsst. Dieser Prozentsatz sinkt allerdings auf 43 % wenn es sich um ein Schwulenpaar außerhalb des eigenen Freundeskreises handelt.

„Diese Ergebnisse machen Mut. Die Wahrnehmung homosexueller oder bisexueller Personen ist allgemein positiv. Diese Akzeptanz war kein Selbstläufer, sondern ist unter anderem der Arbeit von LGBT-Menschenrechtsorganisationen und auch der Politik der letzten 20 Jahre zu verdanken. Diese Entwicklung wird deutlich, wenn wir uns beispielsweise die Gesetze über das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Adoption oder Heirat anschauen‟, betont Patrick Charlier, Direktor von Unia.

Ein Problem vor allem auf männlicher Seite?

Hervorzuheben ist allerdings, dass Männern die Akzeptanz schwieriger fällt. 47 % der männlichen Umfrageteilnehmer antworteten, dass sie ihren Söhnen ganz klar beibringen, dass heterosexuelle Beziehungen die einzige Norm sind, gegenüber 26 % bei den weiblichen Umfrageteilnehmern. Frauen scheint auch die sexuelle Orientierung ihrer Kollegen weniger zu stören, da 23 % der Frauen sich eher an einen homosexuellen Kollegen wenden, wenn sie ein Problem haben, gegenüber 9 % bei den Männern. Die Mehrheit der Frauen (60 %) erklärt, dass sie nicht mit einer homophoben Person befreundet sein könnten, wohingegen 45 % der Männer hierin kein Problem sehen.

Heterosexuelle und Homosexuelle

Bei den Ergebnissen dieser Umfrage sticht eine Zahl besonders heraus: Von allen Teilnehmern erklären etwa 40 %, dass sie sich nicht zu 100 % heterosexuell fühlen. Zwischen ihnen und denjenigen Teilnehmern, die sich zu 100 % heterosexuell fühlen, zeigen sich klare Unterschiede in der Haltung gegenüber LGB. Jeder fünfte innerhalb der 60 %, die sich rein heterosexuell fühlen, ist beispielsweise der Meinung, dass homo- oder bisexuelle Angestellte, die Kundenkontakt haben, darauf achten sollten, dass ihre sexuelle Orientierung nicht offensichtlich wird. Dieser Wert ist fast doppelt so hoch wie in der anderen Gruppe (11 %).

Ein Generationenunterschied?

12 % der Befragten scheinen immer noch ein Problem zu haben, wenn sie zwei Männer sehen, die in der Öffentlichkeit Hand in Hand gehen. Dieser Wert steigt sogar auf 20 % in der Teilnehmergruppe über 55 Jahre, während es in der Teilnehmergruppe der 18- bis 34-Jährigen „nur‟ 8 % sind.

Unterschiede zwischen Französisch- und Niederländischsprachigen

Unterschiede in der Wahrnehmung Homosexueller gibt es auch zwischen Französisch- und Niederländischsprachigen. So fänden es 29 % der Französischsprachigen „seltsam‟, wenn die lesbische Lehrerin ihrer Tochter im Unterricht Anekdoten aus dem Urlaub mit ihrer Lebensgefährtin erzählte (gegenüber 10 % bei den niederländischsprachigen Umfrageteilnehmern).

Außerdem hielten 21 % der Französischsprachigen es nicht eindeutig für selbstverständlich, wenn Kinder in der Schule lernen, dass eine homosexuelle Beziehung den gleichen Wert wie eine heterosexuelle hat. Dieser Prozentsatz liegt doppelt so hoch wie in der niederländischsprachigen Teilnehmergruppe. 13 % der französischsprachigen Befragten hätten ein Problem damit, wenn ihr Chef in Begleitung seines Ehemanns zu einer Personalfeier erschiene. In der niederländischsprachigen Teilnehmergruppe waren es nur 2 %.

Einfluss des Freundeskreises

Aus dieser Umfrage geht zudem hervor, dass die Toleranz umso größer ist, je mehr Kontakt man zu homosexuellen oder bisexuellen Personen hat. Je weniger Kontakt oder Beziehung zu homosexuellen Personen besteht, umso problematischer ist die Akzeptanz. 41 % der Personen, die sich mit Homosexualität noch schwer tun, antworteten übrigens, dass sie keine Freundschaft mit einem Homosexuellen haben möchten. Im Unterschied hierzu antwortete ein Großteil (67 %) derer, die bereits Beziehungen oder Freundschaften mit Homosexuellen unterhalten, dass sie kein Problem damit haben.

Ermutigende Ergebnisse, aber weiterhin Besserungsbedarf

Unia betont, dass die Akzeptanz von homosexuellen/bisexuellen Personen zugenommen hat. „Dennoch dürfen wir die übrigen Probleme nicht unter den Teppich kehren. Im Gegenteil. Einige Ergebnisse sind alarmierend, wie die Schlussfolgerungen aus unserem Jahresbericht 2015 zeigen. In Sachen Diskriminierung aufgrund von Homo- oder Bisexualität wurden 92 neue Akten angelegt. Das sind 12 mehr als 2014. Insgesamt sind 203 Meldungen bei Unia eingegangen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.‟

Unia hebt einen weiteren beunruhigenden Statistikwert heraus: 49 % der Befragten finden es überhaupt nicht natürlich, dass zwei Männer Sex miteinander haben. „Hier zeigt sich, dass wir noch ein gutes Wegstück vor uns haben. Homosexualität wird zwar toleriert, aber noch nicht akzeptiert.‟

Damit sich die Mentalität weiterentwickelt, bedarf es bewusstseinsbildender Maßnahmen. Daher setzt Unia auf eine Kampagne gegen Vorurteile und Rollenbilder, die sich hartnäckig zum Leidwesen homosexueller und bisexueller Menschen halten. Diese Kampagne will die Öffentlichkeit über Plakate und Bierdeckel erreichen, die bei mehreren Festveranstaltungen in fünf großen belgischen Städten (Charleroi, Lüttich, Gent, Antwerpen und Brüssel) zum Einsatz kommen. Auch auf Facebook läuft die Kampagne. Der Slogan ist schlicht und einfach: „Vorurteile bringen uns nicht weiter, der gemeinsame Weg schon.‟ Unia wird auch am Belgian Pride teilnehmen, der am 14. Mai durch die Brüsseler Straßen zieht.

iVOX hat die Umfrage am 5.-10. Mai 2016 online unter 1.000 Teilnehmern durchgeführt, die ihren Wohnsitz in Belgien haben und 18 bis 75 Jahre alt sind.