Richter stuft Folgen von Krebs erstmals als Behinderung ein

12 März 2018
Handlungsfelder: Arbeit

Der Arbeitshof Brüssel verurteilte einen Arbeitgeber dazu, angemessene Vorkehrungen vorzunehmen, sodass eine Frau, die aufgrund einer Krebserkrankung längere Zeit arbeitsunfähig war, wieder in ihren Beruf zurückkehren konnte. Es ist das erste Mal, dass ein Richter die bleibenden Folgen von Krebs als Behinderung anerkennt. Der Richter verurteilte den Arbeitgeber wegen Diskriminierung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 12.500 Euro an die Arbeitnehmerin. Unia trat als Streithelfer bei.

Da es sich hier um eine Behinderung handelt, darf der Arbeitgeber die Frage nach Anpassung der Arbeitsumstände und Arbeitsbedingungen nicht ohne Weiteres ablehnen. Das ist in der Antidiskriminierungsgesetzgebung vorgeschrieben. „Es ging in dieser Sache um angemessene Vorkehrungen und Hilfsmittel, die Hindernisse beseitigen sollen. Unter anderem bat die Frau, eine Verkäuferin, darum, ihre Arbeitszeit im Zuge der Rückkehr in ihren Beruf progressiv anzupassen. Der Arbeitgeber lehnte das ab. Kurz darauf wurde sie entlassen“, berichtet Els Keytsman, die Direktorin von Unia.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung können andere Arbeitnehmer, die eine Krebserkrankung überstanden haben, ihren Arbeitgeber um eine Anpassung ihrer Arbeitsbedingungen bitten. „Wenn der jeweilige Arbeitgeber das ablehnt, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu verklagen, aber Unia versucht zunächst, beide Parteien ins Gespräch zu bringen“, fährt sie fort.

Den Faden wieder aufnehmen?

„Fast alle Menschen kennen eine Person, die einmal an Krebs erkrankt war. Der schwere Kampf gegen die Krankheit führt nicht selten zu sozialer Isolation. Und wenn einen dann zusätzlich auch noch der eigene Arbeitgeber aufs Abseitsgleis stellt, ist das ein wirkliches Drama. Es handelt sich hierbei keineswegs um einen Einzelfall. Arbeitnehmer, die über einen längeren Zeitraum erkrankt sind, wollen den Faden gerne wieder aufnehmen und ihr altes Leben fortsetzen, haben aber immer wieder mit Unverständnis seitens des Arbeitgebers zu kämpfen. Unia hat dazu keine eigenen Zahlen, aber aus einer aktuellen niederländischen Studie geht hervor, dass 57 Prozent der ehemaligen Krebspatienten mit  schwerfälligen Reaktionen ihres Arbeitgebers zu kämpfen haben“, erklärt Keytsman.

Viele Wiedereingliederungsversuche können gar nicht gelingen, weil weniger als die Hälfte der Arbeitgeber weder das Verfahren noch ihre Pflichten kennt, wie der belgische Versicherer Mensura herausgefunden hat. „Unia stellt immer wieder fest, dass Arbeitgeber nicht wissen, was angemessene Vorkehrungen sind. Daher sind wir sehr erfreut, dass zahlreiche Tagungen zu diesem Thema stattfinden. Auch unsere Online-Fortbildungen für Personalleiter sind ein Erfolg“, stellt Keytsman fest.

Auswirkung auf die Menschen

Unia weist nachdrücklich darauf hin, dass Menschen keine Bindung an die Gesellschaft empfinden, wenn sie ausgeschlossen werden. „Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten sich auf Inklusion konzentrieren. Schließlich geht es um den Menschen mit seinen Möglichkeiten und nicht um Faktoren wie Krankheit oder Behinderung. Wenn Menschen nach ihrer Therapie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, ohne dass sie eine Entlassung befürchten müssen, und sich auf die Flexibilität ihres Arbeitgebers verlassen können, werden sie als Arbeitnehmer loyaler“, erklärt Keytsman abschließend.

Befinden Sie sich in derselben Situation wie die Frau in diesem Fall? Dann wenden Sie sich an Ihre Gewerkschaft oder an ihren Präventionsberater/Arzt. Natürlich kann auch Unia Ihnen helfen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil (auf Niederländisch).