Diskriminierungsmeldungen zahlenmäßig um mehr als 13 % gestiegen

29 Juni 2020
Handlungsfelder: Aller Aktionsbereiche
Diskriminierungsgrund: Aller Diskriminierungsgründe

2019 ist die Zahl der Meldungen und Fälle, die Unia wegen Diskriminierung erhalten oder eröffnet hat, erneut gestiegen. „Die Anzahl Meldungen lag um 13,2 % höher als 2018, während die Zahl der eröffneten Fälle mit 6,9 % angestiegen ist. In den sozialen Medien stellen wir eine Verrohung der Sprache fest, beispielsweise in Äußerungen über Personen mit Behinderung, über Muslime oder Flüchtlinge“, so Els Keytsman, Direktorin von Unia. „Hassbotschaften in den sozialen Medien und auf der Straße sind fast schon Normalität.“

Beides ist im Jahresbericht 2019 von Unia belegt und näher ausgeführt. Im vorigen Jahr eröffnete Unia 2.343 neue Fälle. 2018 waren es noch 2.192. Insgesamt gingen im vorigen Jahr 8.478 Meldungen zu Diskriminierungen, Hassreden und Hassstraftaten ein, gegenüber 7.489 Meldungen im Jahr 2018. Damit hat sich die Anzahl Meldungen im Zeitraum von fünf Jahren verdoppelt.

Zunehmend verrohte Sprache online und auf der Straße

Markant ist vor allem der grobe Sprachumgang in den sozialen Medien und auf der Straße. „Nach den Wahlen vom 26. Mai 2019 sind alle Hemmschwellen gefallen“, bestätigt Keytsman. „Einige haben in den Wahlergebnissen einen Freibrief gesehen, aus der Deckung zu kommen und auf Angriff zu schalten. Der Ton in der gesellschaftlichen Debatte wurde härter, brutaler, aggressiver.“

Dieser Trend scheint sich 2020 fortzusetzen. „So kam es jetzt nach dem traurigen Tod von George Floyd in den USA auch zu einer ausgewachsenen Polemik über Rassismus und Polizeieinsätze in Belgien. Was wiederum neue Hassbotschaften auslöste. Erfreulicherweise waren auch Gegenreaktionen festzustellen. Es folgte eine Welle der Solidaritätsbekundungen von Bürgern, die auf Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus drängen.“

Nach der Brandstiftung im Asylbewerberheim Bilzen im November 2019 und nach misslungenen Versuchen, Migranten an der belgischen Küste aufzugreifen, rief Premierministerin Sophie Wilmès dazu auf, einen „nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“ auszuarbeiten. Unia hofft, dass 2020 das Jahrsein wird, in dem dieses Versprechen, das schon 2001 gegeben wurde, endlich eingelöst werden kann.

Weitere Ereignisse, die das vergangene Jahr geprägt haben, waren der Großeinsatz der Polizei auf Geländen für Wohnwagenbewohner, die Veröffentlichung eines (lange erwarteten) Königlichen Erlasses über positive Maßnahmen und der Assisenprozess zu dem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel.

Das angebliche Merkmal „Rasse“ ist nach wie vor der häufigster Diskriminierungsgrund

Wenn wir die Fälle betrachten, die 2019 insgesamt eröffnet wurden, so entfällt der Großteil (951 an der Zahl) weiterhin auf  das Merkmal angebliche „Rasse“. Fälle aufgrund von Behinderung folgen an zweiter Stelle (614). Weitere bedeutende Kategorien sind Fälle aufgrund von Glauben und Weltanschauung (336) und sexueller Orientierung (133).

Die Arbeit von Unia erstreckt sich über eine ganze Reihe von Bereichen. Etwa gleich stark vertreten sind hier Fälle in den Bereichen Beschäftigung (657) und Wohnen, Verkehr sowie Bank- und Versicherungsprodukte (641). Doch auch in anderen Bereichen sind diskriminierende Verhaltensweisen festzustellen: Medien (346 Fälle) und Bildung (308) tragen ebenfalls erheblich zu der bedauerlichen Statistik bei. Polizei und Justiz sind mit 81 Fällen vertreten.

2019 wurde in nahezu 33 % der „begründeten Fälle“ eine außergerichtliche Lösung erzielt, das heißt auf dem Schlichtungs- oder Verhandlungsweg. In 18 Fällen zog Unia vor Gericht. 6 Mal ging es dabei um Hassreden im Netz.

Alter: beunruhigend

Wegen Altersdiskriminierung wurden im vergangenen Jahr 143 Fälle eröffnet. „Wenn wir den Bereich Beschäftigung betrachten, sehen wir, dass das Anwerbungsverfahren zahlreiche Probleme mit sich bringt (zum Beispiel im Fall des Luftraumüberwachungsunternehmens Skeyes, ehemals Belgocontrol), wobei es am häufigsten Personen zwischen 45 und 64 Jahren trifft. Junge Menschen klagen eher über den erschwerten Zugang zu Wohnmöglichkeiten. Senioren erleben zudem oft, dass sie keine Versicherung bekommen oder eine zu hohe Versicherungsprämie zahlen müssen.“

Auch präventiv war Unia im vorigen Jahr sehr beschäftigt, vor allem im Kampf gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Die einzelnen Branchen spielen hier eine entscheidende Rolle. Daher ist die Unterzeichnung eines Zusammenarbeitsprotokolls mit den Arbeitgebern ein wichtiger Schritt. „Unser Online-Learning-Tool eDiv.be verzeichnete 4.000 neue individuelle Nutzer. Auch Unternehmen, die ihre Präventionspolitik entwickeln oder erweitern möchten, finden hier ein Inspirationsmenü. Außerdem haben wir einen „Quickscan“-Test entwickelt, einen Fragebogen, mit dem ein Unternehmen seine Präventionspolitik bewerten und entsprechend verbessern kann.“

Unia arbeitet natürlich weiter daran, die Inklusivität für Personen mit Behinderung voranzubringen. In verschiedenen Gutachten und Berichten legen wir dar, welche Barrieren im Weg stehen und wie sie zu beseitigen sind.  

Unia als Chancengleichheitsstelle und Menschenrechtsinstitution

Als nationale Menschenrechtsinstitution (Status B) hat Unia einen Parallelbericht bei den Vereinten Nationen über die Umsetzung des UN-Zivilpakts (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) eingereicht. Unia richtet den Fokus in diesem Bericht auf bestimmte Themen, wie die Auswirkungen der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung auf die Menschenrechte, Diskriminierung und rassistische Gewalt, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Internierung oder nötige Gesetzesänderungen. 

Den vollständigen Jahresbericht können Sie auf dieser Seite herunterladen.

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